Herzerkrankungen: bessere Diagnostik mit Nuklearmedizin

(Wien, 21 März 2017) Herzkatheteruntersuchungen sind für die Abklärung möglicher Erkrankungen der Herzkranzgefäße oft unnötig und durch funktionale Herz-Bildgebungsverfahren ersetzbar. Das zeigt eine großangelegte Studie, die kürzlich in Großbritannien durchgeführt wurde. „Funktionale Herz-Bildgebung ist risikoärmer und kostengünstiger und liefert dabei genaue und zuverlässige Ergebnisse. Sie bietet einen guten diagnostischen Ausgangspunkt, der als „Pförtner“ für die Angiographie dienen sollte“, sagt Prof. Riemer H.J.A. Slart, Herz-Kreislauf-Experte der Europäischen Gesellschaft für Nuklearmedizin (European Association of Nuclear Medicine / EANM).

Brustschmerz kann ein Zeichen für eine koronare Herzkrankheit (KHK) sein. Bei Patienten mit diesen Symptomen muss ein solcher Verdacht unbedingt abgeklärt werden. Es gibt verschiedene Diagnosewege, um eine KHK festzustellen und zu bestimmen, ob eine Revaskularisierung – die Wiederherstellung oder Verbesserung der Durchblutung zum Herzen – nötig ist. Eine klassische Methode ist die Koronarangiographie (CAG), eine invasive Technik, die die Einführung eines Katheters in das Herz erfordert. Doch in den letzten zehn Jahren haben sich zwei funktionale Methoden der Herz-Bildgebung, die Bilder vom Herzen und den Herzkranzgefäßen liefern, zu wichtigen Alternativen entwickelt: die Myokardszintigraphie (Herzszintigraphie / MSZ) sowie die Magnetresonanztomographie des Herzens (Kardio-MRT). MSZ ist ein nuklearmedizinisches Bildgebungsverfahren. Es basiert auf Gammastrahlung, ausgesendet von injizierten Radiopharmaka, die sich in den Organen anreichern. Dagegen verwendet die Kardio-MRT starke Magnetfelder, die mit den Kernen der Wasserstoffatome im Körper wechselwirken.

MSZ und Kardio-MRT ermöglichen eine genaue Darstellung des koronaren Systems und die Lokalisierung von Regionen des Herzens mit unzureichender Blutversorgung. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Diagnose von Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie bei der Erstellung von Prognosen und der Bewertung der Wirksamkeit möglicher Therapien. Der Erfolg dieser Bildgebungsverfahren steigt sogar noch an, da die zugrunde liegenden technischen Abläufe kontinuierlich verbessert werden. Verglichen mit der CAG weisen diese Bildgebungstechniken eine Reihe von Vorteilen auf: Sie sind nicht-invasiv und risikoärmer, sie vermindern die Belastung für die Patienten und helfen Kosten zu sparen. Trotz dieser Pluspunkte kommt die CAG aber bei Patienten mit Verdacht auf KHK immer noch viel zu häufig bereits in einem frühen Stadium der Diagnose zum Einsatz. Zu viele dieser Patienten werden mit dem Herzkatheter untersucht, ohne dass eine obstruktive Koronarerkrankung festgestellt wird – eine Vorgehensweise, die Patienten unnötigen Risiken aussetzt und vermeidbare Kosten erzeugt. Das zeigt die Studie „CE-MARC 2“, eine randomisierte Untersuchung, die kürzlich in sechs britischen Krankenhäusern durchgeführt wurde. Beteiligt waren 1202 Patienten mit Verdacht auf koronare Herzkrankheit. Prof. Riemer H.J.A. Slart, Herz-Kreislauf-Experte der EANM, nennt als entscheidendes Ergebnis der Studie: „Der Einsatz nicht-invasiver funktionaler Herz-Bildgebung – MSZ ebenso wie Kardio-MRT – reduziert unnötige Angiographien beträchtlich.“

Leitlinien verursachen zu viele Angiogramme

Die Studie unterteilte die 1202 Patienten in drei Gruppen mit dem Ziel, drei diagnostische Strategien für die Abklärung eines KHK-Verdachts zu vergleichen: In der ersten wurde Kardio-MRT und in der zweiten MSZ als Startdiagnose eingesetzt. Die dritte Strategie folgte den Richtlinien des British National Institute for Health and Care Excellence (NICE). In dieser Gruppe wurden Patienten mit einer Vortestwahrscheinlichkeit für KHK von 10% bis 29% (definiert als niedriges KHK-Risiko auf der Grundlage von Alter, Geschlecht, Symptomen und Krankengeschichte) zu einer Herz-Computertomographie (Herz-CT) überwiesen. Für Patienten mit einer KHK- Vortestwahrscheinlichkeit von 30% bis 60% (mittleres Risiko) war eine MSZ vorgesehen und Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von über 60% wurden gleich zur Koronarangiographie weitergeleitet.

Im Unterschied dazu kam die Koronarangiographie in den beiden ersten Gruppen der Studie nur als mögliche Folge-Untersuchung zur Anwendung. Die Forscher stellten fest, dass sich innerhalb von zwölf Monaten 42,5% der Patienten, die zur Gruppe der NICE-Richtlinien gehörten, einer Koronarangiographie unterzogen. Innerhalb der Kardio-MRT-Gruppe war das nur bei 17,7% und innerhalb der MSZ-Gruppe nur bei 16,2% der Fall. Das wichtigste Ergebnis ist jedoch, dass 29% der Herz-Katheterisierungen, die an Patienten aus der Gruppe der NICE-Richtlinien vorgenommen wurden, sich als unnötig herausstellten. In der Kardio-MRT-Gruppe war das nur bei 7,5% und in der MSZ-Gruppe nur bei 7,1% der Fall. Bei der Anzahl klinischer Komplikationen, die nach der zwölfmonatigen Testphase auftraten, gabe es zwischen den drei Gruppen keinen Unterschied. Ein weiteres Ergebnis betrifft die Herz-CT, die die NICE-Richtlinien für Patienten mit einem niedrigen KHK-Risiko vorsehen. Es zeigte sich, dass die Zahl unnötiger Angiogramme, die auf der Grundlage vorangegangener Herz-CTs erstellt wurden, deutlich höher lag als die, welche auf den Ergebnissen funktionaler Bildgebungen beruhten.

„Es ist sehr deutlich geworden, dass die Koronarangiographie auf Fälle beschränkt werden muss, die wirklich eine invasive Untersuchung erfordern. Funktionale Bildgebungsverfahren sollten leichter und häufiger für die Beurteilung von KHK eingesetzt werden und zwar auch in Hochrisiko-Gruppen. Das liegt im Interesse der Patienten wie der Gesundheitssysteme“, sagt Prof. Slart. Allerdings, so der EANM-Experte, erfüllen die neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die in etlichen europäischen Ländern gelten, diese Forderungen bereits zum Teil. Während die britischen NICE-Leitlinien eine Vortestwahrscheinlichkeit von 60% als Schwelle für eine sofortige Angiographie verlangen, legen die ESC-Leitlinien eine Vortestwahrscheinlichkeit von 85% fest. „Die ESC-Leitlinien sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung“, so Prof. Slart.

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