Parlamentarischer Abend der DG PARO

Wie bekommen wir die Parodontitis in den Griff?

Parlamentarischer Abend der DG PARO

v.l.n.r.: Worch, Eickholz, Kleinebrinker, Maier, Oesterreich, Irlstorfer, Heidenblut, Kocher

Missverhältnis zwischen Bedarf und Behandlung

Prof. Dr. Peter Eickholz, Präsident der DG PARO, wies in seinem einleitenden Vortrag auf die dramatische Unterversorgung der Bevölkerung in Deutschland hin: „Wir haben die Parodontitis nicht im Griff. Nach konservativen Schätzungen stehen etwa 8 Millionen behandlungsbedürftige schwere Fälle von Parodontitis nur 980.900 abgerechnete Behandlungen gegenüber. Vor allem ältere Menschen sind betroffen, etwa 40% der Senioren weisen eine schwere Form der Parodontitis auf.“ Ein wesentliches Problem, so Eickholz, sei die schwierige Früherkennung der Parodontitis. „Die Parodontitis ist hinterhältig, sie schleicht sich an und ist anfangs kaum zu bemerken.“

Aufwertung der Parodontologie in der Ausbildung

Laut Prof. Dr. Thomas Kocher vom Universitätsklinikum Greifswald hat sich die Mundgesundheit in den letzten Jahren verbessert. Die Ursache dafür läge im Fokus auf Karies in Ausbildung, präventiver und restaurativer Behandlung. Die Kariesprophylaxe sei in den letzten Jahren sehr erfolgreich gewesen und restaurative Maßnahmen könnten gut abgerechnet werden. Als Konsequenz führe Karies immer seltener zu Zahnverlust. Der Zahnhalteapparat finde hingegen wenig Beachtung, auch wenn Parodontitis als Ursache für Zahnverlust, so Kocher unter Bezug auf Studien von Reich, Hiller und Glockmann, seit 20 Jahren, wie auch Karies für 30% der Extraktionen verantwortlich sei. „Um schwere dentale Erkrankungen wie Zahnverlust weiter zurückzudrängen, brauchen wir eine konsequente Parodontalbehandlung. Parodontal leicht beschädigte Zähne können ohne großen Aufwand behandelt werden. Hier sind schnelle, gute Erfolge zu erzielen. Die parodontologische Ausrichtung muss in der Ausbildung wesentlich besser verankert werden, am besten durch einen höheren Stellenwert und damit auch durch mehr Ressourcen der Parodontologie in den Lehrplänen. Nur wenn das Know-how vorhanden ist, wird auch frühzeitig die richtige Diagnose gestellt und kompetent behandelt. Letztendlich wird eine veränderte Ressourcenallokation im Gesundheitssystem – von Restauration zu Parodontologie – notwendig sein“, so Kocher.

Aufklärung und Mitarbeit von Patienten fördern

Dr. Ute Maier, Vorsitzende des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) bemängelte, dass im derzeitigen GKV-System der Fokus immer noch auf der Reparatur anstatt der Prävention liege. Sie machte u.a. dies und den eingeschränkten finanziellen Spielraum als Teilursachen für die Unterversorgung aus. Zwar konnte Maier anhand der parodontologischen Fallzahlen in Baden-Württemberg von 2011 bis 2014 aufzeigen, dass die Anzahl der Behandlungen kontinuierlich steigt. Die für die Patienten kaum wahrnehmbaren Symptome und damit einhergehend ein geringes Krankheitsbewusstsein sowie eine mangelnde Mitarbeit seien aber auch wesentliche Faktoren, die eine gute Versorgung erschweren. „Wir müssen uns deshalb fragen, welche parodontalen Behandlungen überhaupt finanzierbar sind und wie wir die konstante Mitarbeit der Patienten bewerkstelligen können – denn nur mit konstanter Kooperation seitens der Patienten rechnet sich die Behandlung. Wir alle sind gefordert, die Bevölkerung über Ursachen und Risiken von Parodontitis aufzuklären. Politik, Kassen und Leistungserbringer müssen im Dialog bleiben“, erklärte Maier. Dabei sei die Behandlung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung gesondert zu betrachten. Hier müsse man über spezielle Konzepte nachdenken.

Behandlungsrichtlinie und Leistungskatalog überdenken

Dr. Michael Kleinebrinker, im Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für vertragszahnärztliche Versorgung zuständig, konstatierte wie seine Vorredner eine Diskrepanz zwischen parodontalem Behandlungsbedarf und tatsächlicher Behandlung. Im Hinblick auf die Kostenstruktur im Gesundheitswesen konstatierte Kleinebrinker, dass die Gesamtausgaben der GKV für zahnärztliche Behandlungen in den vergangenen Jahren nur moderat gestiegen seien, der Anteil der Ausgaben für Parodontalerkrankungen aber gesunken sei. Für die Zukunft sei es wichtig, ein Bewusstsein für Ursachen und Folgen der Parodontitis zu schaffen. Gleichzeitig müsse aber auch das Therapiekonzept zur Behandlung von Parodontalerkrankungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) entlang der vorgegeben Bewertungskriterien geprüft und der Leistungskatalog gegebenenfalls angepasst werden. Kleinebrinker verwies in diesem Zusammenhang auf einen entsprechenden Prüfantrag der Patientenvertreter im G-BA.

Die Regierungsparteien setzen ganz auf Prävention

Die Repräsentanten der Regierungsparteien zeigten sich in Problemanalyse und Lösungsansätzen grundsätzlich einig. Erich Irlstorfer, Bundestagsabgeordneter für die CDU/CSU, stellte die parodontale Versorgung in Zusammenhang mit dem demographischen Wandel und dem steigenden Bedarf an Pflege in Deutschland. Gerade vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft seien frühe Risikoaufklärung, eine adäquate Ausbildung des medizinischen Fachpersonals und Präventionsmaßnahmen grundsätzlich von großer Bedeutung, insbesondere aber in der Parodontologie. „Ich bin davon überzeugt, dass durch Gesundheitsförderung und Prävention die Krankheitskosten gesenkt werden können und die Eigenverantwortung der Menschen gestärkt wird“, bekundet der CSU-Abgeordnete mit langjähriger Erfahrung als AOK-Funktionär. „Bei den Reformen ist ein Zusammenspiel aller Akteure zentrale Voraussetzung für den Erfolg. Wir werden das Thema auf unserer Klausurtagung, mit dem Koalitionspartner und den Akteuren aus dem Gesundheitswesen weiter bearbeiten“, versprach Irlstorfer.
Auch Dirk Heidenblut, Bundestagsabgeordneter der SPD, setzt auf Patientenaufklärung und Prävention, wobei der veränderten Wahrnehmung der Parodontitis eine entscheidende Rolle zukäme. „Kampagnen und Informationen, die Bewusstsein für Zusammenhänge schaffen, gerade im Bereich Zahn- und Mundgesundheit, sind ein wichtiges Mittel. Etwaige Kampagnen könnten mit dem neuen Präventionsgesetz, das wir für Anfang dieser Legislaturperiode ins Auge gefasst haben, einen wichtigen Impuls setzen. Bei den notwendigen Reformen in der Ausbildung und Budgetverteilung sind sicherlich die Akteure des Gesundheitssystems gefragt.“ In der Koalition sei man sich über die Bedeutung des Themas bewusst und freue sich über den anhaltenden Dialog mit den Partnern aus dem Gesundheitswesen.

Lösungsansätze im Dialog

In der Diskussion mit allen Teilnehmern kristallisiert sich eine breite Öffentlichkeitsarbeit als zentrales Handlungsfeld heraus. Umfangreiche Kommunikation in der Bevölkerung, bei Zahnärzten sowie in den Erziehungs- und Bildungsberufen erhöhe die Problemwahrnehmung und den Lösungsdruck, schlussfolgerte DG PARO-Präsident Peter Eickholz. Zudem könne durch Aufklärung früher diagnostiziert und schneller behandelt werden. Auch an dieser Stelle sei man auf die Politiker als Multiplikatoren angewiesen. An den Universitäten sei, so viele Diskussionsteilnehmer, eine Prävalenzorientierung unablässig. Konkret hieße das eine Erhöhung der Unterrichtseinheiten und Lehrstühle sowie der Forschungsbemühungen im Bereich der Parodontologie. Die Kassenvertreter wiesen darauf hin, dass für eine effiziente und ökonomische Behandlung auch Mechanismen nötig seien, die den Patienten in die Pflicht nähmen. Ein Finanzierungsstopp bei wiederholtem Behandlungsabbruch oder ein Bonusheft für parodontale Vorsorge seien diskussionswürdige Ansätze. Beim Thema Ressourcenallokation waren sich die Teilnehmer erwartungsgemäß nicht immer einig. Die Parodontologen forderten mit dem Argument mehr Ressourcen, die Parodontalbehandlungen würden präventiv wirken, restaurativen Eingriffen vorbeugen und so auf lange Sicht Geld einsparen. Die Kassenvertreter wiesen den Vorwurf einer Fehlallokation zurück, zeigten sich aber mit Verweis auf knappe Ressourcen auch bei Budgetierung und Reallokation gesprächsbereit.
Die Teilnehmer lobten das konstruktive und pragmatische Arbeitsklima des Parlamentarischen Abends, die vielen kreativen Ideen und Lösungsansätze sowie den Vorstoß der Patientenvertreter im G-BA. Die DG PARO sieht sich darin bestätigt, diesen Weg in die Öffentlichkeit fortzusetzen.

Bildrechte: DG PARO / Jürgen Sendel

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO) nimmt wissenschaftliche und fachliche Aufgaben auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, insbesondere der Parodontologie wahr. Für ihre 4.600 Mitglieder sowie zahnärztliche Organisationen ist sie seit nahezu 90 Jahren beratend und unterstützend in parodontologischen Fragen tätig. Zu den Aufgaben der DG PARO gehört u.a. die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Parodontologie sowie die Auswertung, Verbreitung und Vertretung der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wesentliche Tätigkeitsschwerpunkte neben der Durchführung von wissenschaftlichen Tagungen, sind die Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Parodontologie sowie die Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen. Zudem vergibt die Gesellschaft jährlich Wissenschaftspreise wie den Eugen-Fröhlich-Preis. Die DG PARO arbeitet, auch interdisziplinär, intensiv mit wissenschaftlichen Gesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Institutionen des In- und Auslandes zusammen. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.

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